Mittelspannungs-Tankstelle
Im Projekt »MS-Tankstelle« entwickelte das Fraunhofer ISE mit Industriepartnern die Mittelspannungs-Systemtechnik für zukünftige Schnellladestationen, die Spitzenlasten von mehreren Megawatt ermöglichen.
Mit der Anzahl an E-Fahrzeugen in Deutschland steigt der Bedarf an Schnellladestationen, die ähnlich wie heutige Tankstellen eine große Anzahl an Fahrzeugen gleichzeitig bedienen können. Diese werden besonders an den Autobahnen, aber auch in städtischen Parkhäusern und -plätzen erforderlich.
Die durchschnittliche Leistung eines Schnellladesystems für einen PKW liegt bei 150 kW, bei Bussen, Vans und kleinen LKW steigt sie bis auf derzeit 350 kW. Da das elektrische Laden langsamer verläuft als der Tankvorgang, sind an Tankstellen in Zukunft statt acht Zapfsäulen etwa 15 bis 25 Ladepunkte nötig, um die gleiche Fahrzeuganzahl in gleicher Zeit zu bedienen. Beim parallelen Schnellladen ruft die Elektrotankstelle etwa 1,5 bis 3,5 Megawatt Leistung ab. Damit können zukünftige Schnellladestationen nicht länger über das Niederspannungsnetz versorgt werden— selbst bei geringer Auslastung der Tankstelle würde die nötige Leistung 300 kW übersteigen. Auch die Verteilung innerhalb der Tankstelle oder des Parkhauses sollte nicht im Niederspannungsnetz erfolgen, da die langen Kabelwege (bei 25 Ladepunkten 100 Meter und mehr) und die hohen Leistungen zu hohen Installationskosten bzw. hohen Verlusten in den Kabeln führen.
Tanken an der Mittelspannung
Das im Projekt mit den Partnern Sumida Components & Modules GmbH, Infineon Technologies AG und AEG Powersolutions GmbH entwickelte leistungselektronische System für Ladestationen setzt daher auf ein Mittelspannungsnetz, das mit einem Gleichrichter auf einer Spannung von 1500 VDC betrieben wird. Die höhere Spannungsebene führt zu einer höheren Leistung bei gleicher Stromstärke, ohne dass der Kabelquerschnitt größer werden muss. Durch den deutlich geringeren Kupferverbrauch werde ein wesentlicher Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz geleistet. Der Wert von 1500 VDC wurde gewählt, da dies die Grenze der Niederspannung ist und oberhalb dieses Wertes andere Normen gelten. In Folgeprojekten ist geplant, die Spannung darüber hinaus zu steigern.
Modularer Ansatz für unterschiedlich große Ladestationen
Ein galvanisch getrennter Wandler koppelt das Gleichstrom- (DC)-Verteilnetz an die Fahrzeugbatterie und steuert die Schnellladung. Die Gleichstromwandler mit einer Leistung von je 175 kW sind so konzipiert, dass sie im System problemlos parallelgeschaltet werden können. Dieser modulare Ansatz erlaubt es, sowohl Ladestationen mit geringerer Leistung für PKW als auch Stationen mit größerer Leistung für LKW zu bauen.
Für einen unkomplizierten Ladeprozess soll die Station mit den in Europa dominierenden Standards CCS1 und CCS2 (Combined charging system) voll kompatibel sein, das heißt für Stromstärken bis 500 A und eine Spannung bis 1000 V in den Fahrzeugen. Darüber hinaus soll das Konzept auch den Megawatt Charging System (MCS)-Standard unterstützen. Für diesen ist eine zweite Umrichtermodul-Variante geplant, für die lediglich einige Komponenten angepasst werden müssen.
»Die von uns im Projekt entwickelte Topologie kann nicht nur für Ladestationen, sondern potenziell auch in erneuerbaren Hybridkraftwerken oder für die Integration von stationären Batteriespeichern eingesetzt werden«, erklärt Andreas Hensel, Gruppenleiter Hochleistungselektronik und Systemtechnik am Fraunhofer ISE.
Ein Demonstrator eines Ladepunktes ist während der E-World (11.-13.2., Essen) auf dem Stand der Fraunhofer-Allianz Energie (Halle 5, D126) zu sehen. (pq)
50,2 Magazin für intelligente Stromnetze