Reserven im Stromnetz stärker nutzen
Das deutsche Stromnetz könnte heute schon deutlich mehr Strom transportieren, wenn die vorhandene Netzsubstanz besser genutzt würde – zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des VDE.
In einer neuen Studie geht die Energietechnische Gesellschaft im VDE (VDE ETG) der Frage nach, wo es im Stromnetz noch größere Reserven gibt, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Ihr Lösungsansatz: Durch eine temporär höhere Auslastung von Betriebsmitteln im Bestandsnetz bereitstehende Reserven für das Netzengpassmanagement nutzen. So könnte das Stromnetz nach Meinung der Expert:innen des VDE schneller an den Ausbau der erneuerbaren Energien angepasst werden, ohne dabei Netzstabilität und Versorgungssicherheit zu gefährden. Dabei unterscheiden sie klar zwischen der zulässigen Höherauslastung innerhalb der Materialgrenzen und der unzulässigen Überlastung mit inakzeptablen Risiken für die Technik.
Die Studienautor:innen kommen zum Schluss, dass die zusätzliche Strombelastbarkeit je Betriebsmittel bei bis zu 60 Prozent liegen könnte: Für Kabel wurde eine höhere Belastbarkeit von bis zu 60 Prozent errechnet – Transformatoren wurden mit einer erhöhten Belastungskapazität von bis zu 50 Prozent ausgewiesen. Leiterseile können der Untersuchung nach bis zu 58 Prozent mehr physikalische Belastung aushalten, vorausgesetzt sie werden auf einen witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb umgestellt. Beim witterungsbedingten Betrieb wird die aktuelle Strombelastbarkeit anhand von Wetterdaten dynamisch berechnet und an die Leittechnik übergeben. Dagegen ist die zusätzliche Strombelastbarkeit von Schaltanlagen mit 15 Prozent weitaus niedriger und kann nur durch eine verbesserte Kühlung oder digitale Überwachung mit Sensoren erreicht werden.
Einzelbetrachtung notwendig
Für einen flächendeckenden Einsatz von Maßnahmen zur Höherauslastung von Betriebsmitteln wie etwa Transformatoren, Freileitungen, Kabel, Schaltgeräte oder Schaltanlagen sind jedoch die physikalischen Möglichkeiten an den konkreten Anlagen zu betrachten. Zudem sollten noch weitere Fragen beantwortet werden: Insbesondere das Zusammenspiel aus technischer Regelsetzung, den tatsächlichen physikalischen Möglichkeiten und rechtlichen Restriktionen aus Haftungsrisiken wäre fachbereichsübergreifend zu bearbeiten. Auch eine potenziell ansteigende Fehlerhäufigkeit und Alterungsgeschwindigkeit sollte nach dem Dafürhalten der Task Force bei einer erhöhten Auslastung von Betriebsmitteln im Auge behalten werden. (cp)
www.vde.com
Quelle: 50,2 Magazin für intelligente Stromnetze