Bye-bye Grundlastkraftwerke?
In einem neuen Impulspapier kommt die Initiative „Energiesysteme der Zukunft“ zum Schluss, dass eine sichere Energieversorgung zukünftig auch ohne den Einsatz von Grundlastkraftwerken möglich ist.
Fachleute einer gemeinsamen Wissenschaftsakademien-Initiative von acatech, Leopoldina und Akademienunion sind der Frage nachgegangen, ob sogenannte Grundlastkraftwerke im zukünftigen, von Solar- und Windenergie dominierten Energiesystem überhaupt noch nötig sein werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Mit Hilfe von Modellierungen haben die Wissenschaftler der Initiative „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) untersucht, ob und welche Rolle CO2-arme Grundlastkraftwerke im Energiesystem der Zukunft spielen. Ihr Fazit: „Für eine sichere Stromversorgung braucht es Grundlastkraftwerke nicht unbedingt. Sie könnten aber auch zukünftig eine Rolle spielen, falls sie wettbewerbsfähig sind.“
Grundlastkraftwerke als optionaler Bestandteil
Die klimafreundliche und zuverlässige Stromversorgung der Zukunft beschreibt nach Auffassung der Wissenschaftler eine Kombination aus Solar- und Windenergieanlagen mit Speichern, variablen Wasserstoffsystemen, flexible Stromnutzung und der Einsatz von sogenannten Residuallastkraftwerken. Letztere sind Kraftwerke, die nur bei Bedarf laufen, zum Beispiel mit Wasserstoff betriebene Gasturbinenkraftwerke. Die Residuallastkraftwerke haben vergleichsweise niedrige Investitionskosten, aber hohe Brennstoffkosten.
In diesem Gesamtsystem könnten jedoch auch Grundlastkraftwerke integriert werden. Bei den in der Untersuchung einbezogenen Grundlastkraftwerkstechnologien handelt es sich um Kernkraftwerke, Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke für Erdgas mit anschließender Kohlendioxid-Abscheidung, Geothermie zur Stromerzeugung und Kernfusionskraftwerke. Nach Ansicht der Wissenschaftler sind in diesem Zusammenhang wahrscheinlich am ehesten die Gaskraftwerke in den nächsten 20 Jahren im größeren Umfang realisierbar. Die Herausforderungen dabei: Die Infrastruktur für das abgeschiedene Kohlendioxid muss erst noch aufgebaut, eine parallele Gas- und Wasserstoffinfrastruktur betrieben und Restemissionen aus der alten Gasförderung und dem Kraftwerksbetrieb ausgeglichen werden. Doch auch ohne Grundlastkraftwerke wäre die Versorgungssicherheit nach Expertenmeinung gewährleistet.
Keine Kostenreduktion
Alle diese Grundlastkraftwerktypen verbinden jedoch ähnliche Merkmale: Sie liefern kontinuierlich Strom, müssen allerdings wegen ihrer hohen Investitionskosten fast durchgehend in Betrieb sein, um sich zu rentieren. Ihre größte Auswirkung auf das beschriebene zukünftige Gesamtsystem wäre primär, dass sie mit ihren Stromüberschüssen Elektrolyseure mit Strom versorgen und so die zu erwartenden Wasserstoffimportmengen verringern.
Ausgehend von den bisherigen Kostenentwicklungen der verschiedenen Technologien erwarten die ESYS-Fachleute nicht, dass Grundlastkraftwerke die Gesamtkosten der Energieversorgung senken würden. „Damit Grundlastkraftwerke zu einer substanziellen Kostensenkung führen, müssten ihre Kosten erheblich unter das heute prognostizierte Niveau fallen“, betont Frau Karen Pittel, Leiterin des ifo-Instituts und stellvertretende Vorsitzende des ESYS-Direktoriums. „Tatsächlich schätzen wir Risiken für Kostensteigerungen und Verzögerungen bei Grundlasttechnologien tendenziell sogar höher ein als beim weiteren Ausbau der Solar- und Windenergie“, führt Karen Pittel weiter aus. (cp)
www.energiesysteme-zukunft.de
Quelle: 50,2 Magazin für intelligente Stromnetze